Auf der roten Liste

Im Augenblick könnte man den Eindruck gewinnen, als würde sich Daniel Pietta noch länger in Krefeld aufhalten als der KEV. Das letzte Mal, als über die Vereinsgrenzen hinaus so deutlich wurde, dass die Eishockeygemeinschaft in Deutschland doch sehr eng verbunden ist, bei aller sportlichen Rivalität, war, als Robert Müller starb.

Es geht um den neuen Mietvertrag der Pinguine für ihre Halle, den KönigPalast. Aus der Distanz kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da zur Zeit ganz schön gezockt wird. Die entscheidende Frage lässt sich ganz einfach zusammenfassen, wie und unter welchen Konditionen dient der KönigPalast auch in der nächsten Saison als Spielstätte für die Pinguine. Und eine Sache ist auch klar: Ohne Spielstätte wird man in Krefeld auch keine weitere Verwendung mehr für die Lizenz haben.

Es ist ein Teufelskreis. Für das wirtschaftliche und damit verbundene sportliche Überleben braucht der KEV Geld, sprich Einnahmen aus dem KönigPalast. Betrieben wird die Halle über eine Tochter der Stadt, die Seidenweberhaus GmbH. Und die Stadt hat kein Geld, braucht die Einnahmen aus der Halle ebenso. Und warum spreche ich von „gezockt“? Im schlimmsten Fall – ich mag es mir gar nicht ausmalen – kommt kein neuer Mietvertrag zustande. Das heißt, keine Pinguine mehr. Aber ich kann mir auch schwer vorstellen, dass die Halle ohne diesen wichtigen Mieter überhaupt noch auf Dauer betrieben werden kann.

Der KEV ist das sportliche Aushängeschild von Krefeld. Und komme mir jetzt keiner mit dem KFC.

Krefeld ohne Eishockey ist wie Deutschland ohne Krefeld

Und wer denkt an die Kinder? Ganz unironisch gefragt. Wo habe ich als kleiner Junge am meisten über Deutschland gelernt? Nicht in Erdkunde, nicht beim Feuerroten Spielmobil (ja, so lange ist das schon her – kleiner Exkurs: Das feuerrote Spielmobil war die Antwort des bayrischen Rundfunks auf die Rappelkiste, die war denen zu links. Aber ich erinnere mich an eine Folge, als die Besatzung des Spielmobil sich in den Westen der Republik begab, in eine Grube einfuhr und hinterher zusammen duscht. Nackt. Männer und Frauen gemeinsam. Nimmt einem dann doch auch die ein oder andere Illusion über den bayrischen Rundfunk, aber ich schweife schon wieder ab ). Nein, bei der Sportschau – die wenigsten werden sich noch erinnern, das war in einer Zeit, als wir noch eine Sportschau hatten, die mehr als eine Sportart präsentierte – und auf den Statistikseiten der Tageszeitung.

Nur so habe ich jemals von so exotischen Orten wie Barmbek-Uhlenhorst, Erkenschwick oder Münster gehört. Ich habe dann Listen angefertigt mit den Distanzen zwischen den Städten, um herauszufinden, ob die Reiseentfernungen irgendwelche Rückschlüsse auf die Ergebnisse zulassen – aber das geht jetzt vielleicht zu sehr ins Detail. Und Gott sein Dank habe ich mich inzwischen von dieser Besessenheit für Statistiken befreien können. Das hast du damals noch mit einem Autoatlas (das war ein BUCH!) machen müssen. Verrückte Zeiten.

Der Punkt ist: Eishockey hat Krefeld für mich auf die Landkarte gesetzt. Ohne Eishockey hätte Krefeld für mich nicht in Deutschland gelegen. So einfach ist das.

Ein eventueller Rückzug der Pinguine? Über die DEL hinaus gab und gibt es dazu Reaktionen aus den unterschiedlichsten Fanlagern. Kaum eine Halle in der DEL oder der auch der DEL2, in der es in den letzten Wochen nicht das ein oder andere Banner mit Sympathiekundgebungen bzw. der Forderung nach dem Erhalt des Standorts gegeben hätte. Die Pinguine Supporters und das Fanprojekt des KEV starteten eine Petition im Internet. Von KEV-Seiten bedankte man sich auch offiziell für die Unterstützung, die der Club in dieser Phase erhalten hat. Die Zeit drängt: Bis zum 15.02. muss bei der DEL eine Lizenz beantragt werden. Ohne Halle lässt sich das schlecht machen.

Ein Verlust der Pinguine, jeder Verlust eines DEL-Vereins, hatte mehr oder weniger schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen. Am ärgsten trifft es immer die Derby-Gemeinschaft, in diesem Falle Köln, Iserlohn und nicht zuletzt Düsseldorf. Für die gegnerischen Fans ist dieser Verlust vielleicht in allererster Linie emotionaler Art- aber die unterschiedlichen Clubs spüren einen solchen Verlust auch finanziell. Dazu muss man die Zuschauerzahlen bei Derbys einfach nur mit „normalen“ DEL-Spieltagen vergleichen.

Aber ganz ehrlich, wenn man über zehn Jahre einen Eishockey-Liveticker geschrieben hat, trifft einen ein solch angedrohter Verlust auch persönlich. Gut, Krefeld ist jetzt einer der wenigen DEL-Standorte (Understatement: es ist tatsächlich der einzige), den ich noch nie persönlich besucht habe. Aber ich kenne KEV-Fans, alleine das verbindet schon einmal.

All die Jahre, in denen ich bemüht war, die Ergebnisse der Pinguine vorauszusagen. Sie waren stets mein Angstgegner. (Gut, aktuell sind es die Haie, aber das ist eine andere Geschichte). Ihr konsequentes, zum Teil sehr absurdes Powerplay – eine der wenigen echten Konstanten in der DEL. Dazu die Unverschämt, genau ein Jahr bevor ich mit dem Ticker anfing, Meister zu werden.

Das alles soll bald vorbei sein? Ich mag es mir nicht vorstellen. In Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ gibt es eine Stelle, an der der Blick ins allesverschlingende Nichts beschrieben wird. Wenn man dorthinblickt, sieht man nicht Nichts, sondern hat das Gefühl, in diesem Bereich des Auges blind zu sein. Genau diesen Eindruck würde man gewinnen, wenn man Krefeld ohne den KEV auf der Deutschlandkarte suchen würde.

Klingt pathetisch? Aber hey, aus Eishockeysicht sind das die Fakten. Also macht keinen Quatsch.

4 Kommentare zu „Auf der roten Liste

  1. Hallo Olaf.
    Danke auch für Deine Unterstützung für den Erhalt des Stabdort Krefelds. Den Besuch im schönsten Eisstadion solltest Du aber schnellstens nachholen 😃

    1. ja genau, sehr treffend und vor allem konnte ich so bequem über den mitgelieferten „link“ auch gleich unterschreiben. Danke und weiter so.

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