Unser US Sport-Blogger zieht die US-Ligen den einheimischen vor. Warum? Das weiß er manchmal wirklich selbst nicht, will diesem tiefen Geheimnis aber auf die Spur kommen. Der Versuch der Selbstanalyse auf eingenetzt.org.
Um es mir gleich mal von der Seele zu schreiben: Ja, ich bin ein Sport-Snob. Auf unserer früheren Redaktionswohlfühl-Insel wussten die Kollegen bereits bei laufender BBL-Berichterstattung im Fernsehen, dass gleich mein nimmermüder Hinweis auf “ Anführungszeichen unten, Basketball, Anführungszeichen oben“ kommt – ich werde mit den heimischen Ligen der amerikanischen Sportarten einfach nicht warm. NHL, ja, DEL, nein! NBA, ja, BBL, nein! Das Gras ist schließlich immer grüner auf der anderen Seite. Und selbst dieses Sprichwort habe ich der anderen Seite des Großen Teiches entnommen.
Die Baseball-Bundesliga, die sich mir dank früherer NASN-Tage mit „Dabbelyu, Dabbelyu, Dabbelyu, Baseball, Dot, Diiii, Ihh“ eingebrannt hat, und die German Football League lasse ich mal ganz außen vor. Denn – so ein Snob bin ich nun mal – unter einem Zuschauerschnitt von 3000 diskutiere ich gar nicht erst.
Dabei habe ich die größte Freude am Amateurfußball, bei der Kreisklasse angefangen. Und, diese Geschichte werden sich meine Enkel noch anhören dürfen, nichts war während meines achtmonatigen US-Aufenthaltes schöner, als regelmäßig am Samstagmorgen den Division III-Colorado College Tigers bei ihren Football-Versuchen zuzugucken. Da kamen immerhin dreistellige Zuschauerzahlen zustande. Wenn man dann allerdings bedenkt, dass so ein Football-Team locker über 40 Spieler hat, von denen zahlreiche Angehörige – klar an den entsprechenden Jerseys zu erkennen – auf der Tribüne Platz nahmen, sind wir vom Interesse fast schon wieder in der Kreisklasse.
Aber ich schweife ab. Also DEL vs. NHL, BBL vs. NBA. Ich könnte jetzt die Niveau-Unterschiede anführen, aber das wäre zu einfach. Oder kleinere Eisflächen, andere Foulregeln und andere Viertelzeiten. Ja, auch, aber…
Irgendwie bekomme ich hinter das aber keinen Inhalt. Und das ist es, was mich wurmt. Ich will kein Snob sein, ich würde gerne – gerade in Zeiten der US Sport-Dürre – auch auf die hiesigen Produkte zurückgreifen. Quasi „support your local businesses“ in Sport. Aber irgendwie hält mich Irgendwas oder Irgendwer – meine eigene Sport-Arroganz? – davon ab, Freude an Spielen der Brose Baskets Bamberg gegen die New Yorker Phantoms Braunschweig oder der Krefeld Pinguine gegen die Wolfsburg Grizzly Adams zu verspüren.
Okay, das war ein Tiefschlag, liebe Eisbären-, ALBA- oder FC Bayern-Fans. Ausgerechnet ein Team, das sich nach einer Klamottenmarke im unteren bis mittlereren Preissegment benennen muss und eines, bei dessen Namensfindung die Planer in seligen Erinnerungen ans ZDF-Ferienprogramm schwelgten, auszusuchen, um Anti-Punkte in Sachen Provinzialität und lustiger Namensgebungen zu sammeln, war jetzt nicht die feine Art von mir.
Aber das scheint mir doch der Kern meines Snobismus. Am heimischen Eishockey und Basketball reizt mich anscheinend einfach nichts, weil der Glanz fehlt. Hier gibt es keine ganzseitige Berichterstattung in den Zeitungen, keine ellenlangen Sport-Talkshows zu Spielen, Spielern und Teams.
Dafür sind dann Zuschauerschnitte über 3000 dann doch zu viel, um sich an einer charmanten Provinzialität zu erfreuen, wie sie der Amateurfußball verströmt. Also ist mein Snobismus die Schuld der DEL und BBL, weil sie ihren Professionalität nur halb ausleben? Oder die der Medien, weil sie die beiden Ligen nur mit einem halben Auge beobachten?
Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor – vielleicht muss ich einfach eine Selbsthilfegruppe der anonymen Anti-DELer gründen.
Oder es ist einfach doch das Niveau. Wenn man bedenkt, dass unzählige Amerikaner/Kanadier, die in unzähligen europäischen Ligen die Leistungsträger sind, obwohl sie entweder zu schlecht oder zu alt für die heimische NBA/NHL/NFL sind, da stellt sich mir doch die Frage, warum dieses Überangebot an amerikanischen Topspielern so extrem ist.
Die höhere US-Bevölkerung gegenüber der Deutschen kann man nicht gelten lassen, denn dann müssten die zwei Milliarden Chinesen ja auch einen anständigen 25-Mann-Kader für eine Fußballweltmeisterschaft zusammenbekommen.
Ich finde, diverse Sportarten gehören einfach in gewisse Länder.
Der Basketball gehört in die USA, nach Litauen, nach Griechenland, nach Spanien, nach Frankreich, dem ehemaligen Jugoslawien oder Argentinien.
Das Hockey gehört nach Kanada, in die USA, nach Russland, nach Skandinavien, dem Baltikum oder die ehemalige Tschechoslowakei.
Der Fußball gehört nach Mitteleuropa und Südamerika.
Das hört sich jetzt vielleicht einfach an. So einfach ist es meiner Meinung nach aber auch.
Jede Nation hat seine Sportart/en. Und das ist auch gut so. Wieso sind so viele Menschen hispanischer Abstammung so gut im Baseball, obwohl sie in keiner anderen wichtigen Sportart wirklich viel reißen?
Lass die kalten Sportarten in den kalten Regionen, die heißen Sportarten in die heißen Regionen und die Hallensportarten bei denen, die es können.
Wieso spielen die Amis keinen Handball? Wieso spielen die Deutschen keinen Football? Es gibt zu wenig Förderprogramme für diese Sportarten. Nicht jede Nation kann jede Sportart fördern. Es wird das gefördert, wofür Interesse besteht.
Meiner Meinung nach kann es bei Leuten, die lieber die NHL oder NBA bevorzugen als die regionale Liga – zu denen ich auch gehöre – nur das Niveau sein. So einfach es sich leider anhört.
Und ja, auch ich bin ein Riesenfan vom Amateurfußball. Wenn hohe Zuschauerzahlen mit dem Niveau nicht übereinstimmen (Regionalliga, dritte Liga, etc.), dann wird es für mich auch nicht mehr interessant.
Ich würde gerne in deinen Ansatz einfallen, den Du am Ende bringst: Die Berichterstattung in den Medien: Wieso funktioniert denn das „Mehrsportsystem“ in den USA und hier nicht? Und da finde ich zieht der Breitensport in Deutschland einfach nicht gegen das High School-College System der Amis! Es fehlt einfach an Teams im Breitenbereich der Sportarten! In den USA spielst Du an jeder High School mehrere Sportarten, hier gibt es den Schulsport in dem System erstmal nicht, da wirst Du als Kind schon auf mehreres eingeschworen. Nicht umsonst gab/gibt es Leute wie Deion Sanders, Colin Kaepernick etc. die in mehreren Sportarten Erfolg hatten/hätten haben können.
Du musst in Deutschland schon Glück haben in der Nähe eines großen Vereins zu wohnen um Interesse an der Sportart zu entwickeln, dann musst Du dazu noch das Talent haben und es muss erkannt werden. Das klappt hier einfach nicht!
Und da zieht einfach das professionelle System der USA, da kommt übrigens auch der hiesige Fußball nicht hinterher. Wenn man hier in der Jugend nicht schon bei einem Bundesligisten spielte ist es ganz schwer Profi zu werden! In den USA musst Du nur gut sein, da kann es ein unterklassiges College sein, wenn das Potential da ist wird man gedrafted.
Und so verliert man hier einfach das Interesse an den Sportarten! Leider!
Das ist eine Diskussion die man viel tiefer führen kann und muss, aber das will im Monosportland Fußball außer bei Großevents, bei denen wir was reißen niemand!
Hallo Tobi,
das ist in der Tat eine interessante Diskussion, die ich gerne führe. Obwohl man auch hier sehen muss, dass zB Eishockey oder Basketball in einigen Regionen ein Schattendasein führen – meist gibt es an den Colleges entweder oder. Was wiederum auch daran liegt, dass die beim Football und Baseball herrschende zeitliche Trennung – Stichwort Herbst- und Frühlingssportart – bei diesen beiden nicht gegeben ist. Faustregel ist hier ja auch ein bisschen: wo Schnee, da Hockey, wo Sonne, da Basketball. Oder um eine Freundin aus Colorado zu zitieren: die kleinen Bergmenschen spielen doch kein Basketball.