Zum 24. Mal spielt die DEL die Meisterschaft aus. Die beiden besten Mannschaften der Hauptrunde spielen den Titel untereinander aus: Der noch amtierende Meister aus München und Rekordmeister Berlin.
Droht der Liga Langeweile? Der Gedanke ist so abwegig nicht, wenn man betrachtet, wer im Finale der Saison 2017/18 steht. Auf der einen Seite steht Red Bull München, ein Team mit einem riesigen Konzern im Hintergrund, der mit Eishockey so unmittelbar nicht direkt etwas zu tun hat, auf der anderen Seite die Eisbären, im Besitz der Anschutz Entertainment Group. Die Zahlen sind zwar geheim, aber es gehört wenig Phantasie dazu, um zu dem Schluss zu kommen, dass diese beiden Teams die beiden finanziell schlagkräftigsten im Starterfeld sind. Und im Unterschied zu den anderen DEL-Clubs sind diese beiden Eishockeyteam nur ein relativ kleiner Posten im jeweiligen Portfolio der Mutterkonzerne.
Droht also Langeweile durch Finanzmacht? Dafür ist der Sport immer noch zu sehr Sport, es gibt zu viele Unabwägbarkeiten. Eines ist jedoch auch festzuhalten: Es wird in den nächsten Jahren verdammt schwierig, mit diesen beiden Clubs mitzuhalten.
Dabei sehe ich durchaus einen Unterschied zwischen den beiden Organisationen. Bei einem Team wie München kann ganz anders kalkuliert werden. Da ist die Mannschaft Teil des Markenkonzepts, es geht nicht in erste Linie darum, Geld zu verdienen, jedenfalls nicht direkt. Red Bull ist breit aufgestellt, Clubs in allen möglichen Sportarten, über die ganze Welt zerstreut. Doch das Geld wird nicht in erster Linie damit verdient. Das sieht bei der Anschutz Entertainment Group schon ein bisserl anders aus. Sie betreibt Hallen und Teams. Und will damit natürlich direkt Geld verdienen. Wenn es nicht so klappt, wie man es sich vorstellt, wird halt eine Mannschaft auch mal zugemacht, siehe Freezers.
In solchen Unternehmen herrscht eben eine ganz andere Distanz als etwa in Nürnberg, wo der Besitzer Thomas Sabo nach dem Halbfinalaus mit Tränen in den Augen auf der Tribüne sitzt und wahrscheinlich innerlich an einem weiteren Brandbrief an die Liga-Leitung formuliert (und das will ich in keiner Weise lächerlich machen, denn es beweist eine enge Verbundenheit). Oder sich in Mannheim Daniel Hopp nach einer Niederlagenserie, angefasst um Worte ringend, einem Interview stellt (ein bisschen Routine sollte er mittlerweile schon haben). Aber kann sich jemand Dietrich Mateschitz in München auf der Tribüne stellen, wie er heiße Tränen vergießt ob einer verpassten Meisterschaft? Der Mann, der, als die Belegschaft von Servus-TV einen Betriebsrat gründen wollte, kurzerhand einfach den Sender zumachen wollte? Okay, damals hat man sich gütlich geeinigt. Die Mitarbeiter verzichteten auf den Betriebsrat, dafür durften sie weiterarbeiten. In der Gründerzeit hat schließlich auch der Werksbetreiber bestimmt, wer wen heiraten durfte.
Reich wirst du als Betreiber eines Eishockeyclubs in der DEL nicht. Oder hat schon mal jemand die Schlagzeilen gelesen: „Eishockeymillionär zieht sich nach Korfu zurück“? Aber mit entsprechender Finanzkraft lässt sich ein Eishockeyclub eben anders betreiben.
Und kann dann eine ganz andere Ausdauer an den Tag legen, als wenn du von Saison zu Saison über den Mietvertrag für die Halle und das Budget nachdenken musst. Wettbewerbsnachteile wird es immer geben, aber auf Dauer könnte es nichts schaden, über Kompensationsmöglichkeiten für die Liga nachzudenken, bevor die Kluft zwischen reichen und nicht so reichen Clubs immer weiter auseinanderklafft. „Das ist schlecht für den deutschen Fußball“, sagt Karl-Heinz Rummenigge gerne, wenn in der DFL etwas so läuft, wie er sich das nicht wünscht und meint natürlich die Bayern. „Das ist nicht gut für die DEL“, sage ich, wenn nicht für Ausgleichsmechanismen gesorgt werden kann. Ich spreche aber tatsächlich von der gesamten DEL, als System. Längerfristig. (Ja, ja, ich und der Kalle). Schauen wir uns das System Fußball an, scheinen die meisten Bundesligamannschaften nur noch als Füllmaterial zu dienen. Wie weit sind wir noch weg von „München wird zum sechsten Mal in Folge deutscher Meister“? Schnelle Antwort: Drei Jahre und zwei Wochen. Obwohl, das glaube ich eher nicht. Dazu ist die DEL vergleichsweise zu ausgewogen. Noch? Und dieser Text funktioniert auch nur, weil es in dieser Saison tatsächlich München und Berlin ins Finale geschafft haben.
Ganz davon abgesehen muss man natürlich einräumen, dass in München und Berlin auch einfach gute Arbeit verrichtet wird. Ums klar zu sagen, ich habe nichts dagegen, wenn große Organisationen hinter diversen Clubs stehen, ich bin weder naiv noch allzu romantisch. Es lässt sich aber auch nicht verleugnen, dass ein zunehmendes Ungleichgewicht im Entstehen begriffen ist. Eine Lösung habe ich nicht. Sollte nächstes Jahr im Finale Krefeld auf Straubing treffen, Schwenningen vs. Iserlohn könnte ich mir auch vorstellen, werde ich diesen Text aufrufen und direkt löschen. Versprochen.
Statistisches:
Seit der Übernahme durch Red Bull sind die Münchner ein Spitzenteam, dieser Aufstieg ist noch relativ frisch, der Unterschied zu den Eisbären wird am deutlichsten, wenn man einen Blick auf die Finalteilnahmen beider Teams wirft. Als Organisation haben die Berliner hier einen deutlichen Vorteil: Sie feiern ihre zehnte Teilnahme in der finalen Serie, die Münchner kommen gerade einmal auf drei.
Allerdings: Die Münchner haben die Möglichkeit, zum dritten Mal in Folge Meister zu werden. Das haben vor ihnen bisher nur Mannheim (196/97 bis 98/99) und eben Berlin (2006/07 bis 2008/09) geschafft.
Im Best-of-Seven-Modus wird das Finale erst zum fünften Mal ausgetragen. Es handelt sich also um eine verhältnismäßig junge Errungenschaft. So gesehen geben die Zahlen noch nicht besonders viel her. Je eine Serie endete 4:0, 4:1, 4:2 und 4:3. Dreimal setzte sich die Mannschaft mit dem Heimvorteil durch. Nur beim allerersten Mal gewann die Mannschaft, die zunächst auswärts antreten musste (Ingolstadt). Diese Serie dauerte auch am längsten.
Ein verbreiteter Reflex vor Serienstart ist es ja zu sagen, ui, die dauert bestimmt lange. Mit der Realität hat das wenig zu tun. In der DEL wurden bisher 74 Serien im Best-of-Seven ausgespielt, deutlich über 50 Prozent waren bereits nach fünf spielen beendet.
Der Hauptrundensieger stand bisher 15-mal im Finale, der Hauptrundenzweite erst siebenmal. Dabei holte der Hauptrundensieger neun Meisterschaften, der Zweite drei. Etwas überraschend kommt vielleicht, dass sich Platz eins und zwei erst zum zweiten Mal im Finale gegenüberstehen. Das einzige bisherige Aufeinandertreffen gab es in der Spielzeit 1999/2000 zwischen Köln und den Barons. Letztere gewannen damals die Serie als Auswärtsteam.
Gibt es in der Finalserie überhaupt einen Heimvorteil? Die Statistik verneint das. In 23 Spielzeiten gewann die Mannschaft mit dem Heimvorteil zwölf Serien. Eine Zahl, die nicht direkt vom Hocker reißt.
Bei ihren letzten sieben Teilnahmen an der Finalserie gingen die Eisbären immer als Sieger vom Eis. Die Münchner bei ihren letzten zwei.
Eine Serie gab es bereits zwischen beiden Mannschaften, ein Jahr liegt die zurück. Es handelte sich um ein Halbfinale mit Heimrecht für München. Die Bayern verloren das erste Heimspiel Heimspiel nach Verlängerung und beendeten die Serie mit einem Sieg im dritten Heimspiel, ebenfalls nach Verlängerung. In der Hauptrunde gewannen die Münchner damals alle vier Spiele glatt.
Das sah in dieser Saison schon etwas anders aus. (Gelb = vordere Mannschaft auswärts). Wie wir sehen, war es dreimal ziemlich eng, und es gab bei den Aufeinandertreffen der Hauptrunde nur Heimsiege.
Die Münchner waren das zweitbeste Heimteam der HR (56 Punkte), Berlin stand mit drei Zählern weniger auf Platz drei, auswärts war München (51) mit drei Zählern vor den Eisbären die erfolgreichste Mannschaft. München kassierte die zweitwenigsten Gegentreffer (128), Berlin die viertwenigsten (131). Gleichzeitig war München (183 Treffer) vor Berlin (169) das torgefährlichste Team der DEL.
Kräftemäßig dürften beide Teams mehr oder weniger auf demselben Stand sein, auch wenn die Eisbären bisher ein Spiel mehr bestreiten mussten. Doch die Pausen nach den Halbfinalserien waren für beide Mannschaften ausreichend.
Während der Playoffs waren München und Berlin die torgefährlichsten Mannschaften mit einem Schnitt von 4,2 bzw 4,0 Toren pro Partie, im Vergleich: der Dritte aus Nürnberg lag bei 2,8.
Die bisherigen Serien der Münchner, der Berliner, sie waren umkämpft, ja, das stimmt. Aber aus meiner Sicht, ohne jetzt irgendwelche Schiedsrichterdiskussionen aufgreifen zu wollen, waren alle Seriensiege verdient. Mannheim schaffte es während der gesamten Serie gegen den Meister nur ein einziges Mal, und auch nur in einem Drittel, an seine Leistungsgrenze zu gehen. Um München auf Dauer auf Distanz zu halten, in einer Best-of-Seven-Serie ist das zu wenig. Spielerisch und taktisch waren die Münchner einfach überlegen.
Bei der Serie gegen die Ice Tigers sah es aus Berliner Sicht zwar etwas enger aus. Schließlich dauerte die Serie ja auch eine Begegnung länger, was kein Zufall war. Aber am Ende setzt sich das aktivere und spielerisch reifere Team durch. Die Eisbären schafften es, einem im Vergleich zu den Adlern gefestigteren Team, ihren Spielplan weitgehend aufzuzwingen. Nicht mit der Souveränität, wie das München bei Mannheim vermochte, aber das ist in einer Serie, die bis zu sieben Spielen dauern kann, auch kaum zu erwarten gegen eine so stabile Mannschaft.
Gibt es einen Favoriten? Ich möchte es so ausdrücken: Sollten die Eisbären Meister werden, wäre ich überrascht. Von einer Sensation würde ich jedoch nicht sprechen.
Heiner
Spiel 1
München – Berlin 3:5